Berliner Badegeschichten

Blick auf den Wannsee

Berlin hat zwar keinen direkten Zugang zum Meer, dafür aber zahlreiche natürliche Badeseen und Freibäder. Doch die Stadt an der Spree machte schon immer mehr aus ihren Möglichkeiten: Badeschiffe und Wellenbadeschaukeln, FKK-Kultur und künstliche Strandbars – die Hauptstädter hatten Ideen, wenn es darum ging, nicht vorhandene Küsten auf erfrischende Weise wettzumachen.

Berlins Wasserreichtum rührt aus der ‚Weichsel-Eiszeit‘. Als selbige vor rund 11.700 Jahren nur noch eiskalte Erinnerung war, hatte sie erfreulicherweise zahlreiche Schmelzwasserflüsse zurückgelassen, heute besser bekannt als die ‚Grunewaldseenkette‘. Eingebettet in die eiszeitliche Rinne zwischen Spree und Havel reiht sich hier von Südwest nach Nordost ein See an den anderen. Beginnend mit dem Halensee in Wilmersdorf verläuft die Kette auf rund 16 Kilometern bis zum Nikolassee in Steglitz und mündet kurz dahinter in den Wannsee – abwechslungsreich Baden wie am Schnürchen sozusagen.

 

Badeschiffe

Im Jahr 1803 wird das Wasser in Berlin dann erst einmal eine Sache der Medizin. An der Spree eröffnet auf Höhe der Museumsinsel das ‚Welpersche Badeschiff‘. Die auf Initiative von Obermedizinalrat Welper zu sanitären Zwecken errichtete Anstalt ging als erste öffentliche Flussbadeanstalt Deutschlands in die Geschichte ein und sorgte in Berlin fortan für strahlende Sauberkeit.

Rund 200 Jahre später liegt in Treptow ein neues ‚Badeschiff‘ an der Spree vor Anker. Gleichwohl inmitten der historischen Gebäudeanlage am ehemaligen Osthafen gelegen hat dieses Schiff mit der bade-medizinischen Anstalt von anno dazumal höchstens weitläufig zu tun. Zusammen mit der ‚Hoppetosse‘, dem ‚Glashaus‘ oder dem ‚Arenaclub‘ steht das in die Spree eingelassene Badeschiff für ausgelassene Paaartys!

Stramm geschwommen sind in Berlin übrigens zunächst die Soldaten: Preußens Streitmacht sollte im Wasser ebenso effektiv sein wie auf dem Land und so eröffnete im Jahr 1817 die erste preußische Militärbadeanstalt in der Köpenicker Straße Nr. 12 – Spree-schwimmen auf Kommando!

Der Wannsee

Und dann der Wannsee … In den Jahren 1929/30 zum größten Binnenseefreibad Europas ausgebaut, riesengroß, geliebt, besungen – ‚Und dann nischt wie raus an` Wannsee …‘ nach Gerhard Froboess Ohrwurm aus dem Jahr 1951 kam der Wannseegänger am liebsten stilecht zusammen mit Schwesterlein und Badehose und planschte wat dat Zeuch hält …

Apropos Schwimmbekleidung, da erlebte der Berliner auch so einiges: Im Jahr 1932 provozierte das Wannseer Badegeschehen wegen der angeblich zu freizügigen Beinkleider der Dame eine saftige Verordnung der Behörde, im Volksmund ‚Zwickererlass‘ genannt: Die ‚Badepolizeiverordnung‘ schrieb weiträumige Badeanzüge für Frauen vor und zusätzliche Zwickelnähte im Schritt für beide Geschlechter. Auf diese Weise wähnte man sich sicher, Phantasien jenseits der Gürtellinie im Keim zu ersticken. Nach dem Krieg spaltete sich Berlins Badewelt in zwei Lager, eines noch freizügiger als das andere: Im Westen ab `46 die brandneue Bikini-Bademode, zwanglos-blanke Nacktheit à la FKK im Osten.

Badende Berliner

Überhaupt badete der Berliner so gerne, dass er zu Hause am Liebsten gleich weiterschwamm. Im Jahr 1889 meldete der Berliner Klempner Carl Dittmann seine ‚Wellenbadschaukel‘ zum Patent an und machte es möglich: In heimischen Gefilden Baden und dabei selber Wellenschlagen – Dittmanns Idee war der Renner. Langlebiger war jedoch die wenig später im Erzgebirge entwickelte, weniger bewegliche ‚Volksbadewanne‘, die Dittmanns Berliner mini-Wasserschaukel wieder nüchternen Zwecken zuführte.

Und dann die 26 Berliner Strand- und Sommerbäder – typisch Berlin, so unterschiedlich wie nur irgendetwas: Das elegante Strandbad Weissensee mit Palmen und Korbstühlen, das altehrwürdige Freibad Wendenschloss in Köpenick, bei dem sich auf 4000 Quadratmetern Gesamtfläche weißer Sandstrand und Betonbauten mit solidem DDR-Charme erstrecken oder wieder ganz anders das Sommerbad Neukölln am Columbiadamm mit der Highspeed 83-Meter-Rutsche, als veritables Bad der Kulturen unlängst porträtiert in der Doku ‚Ein Kiez sucht Abkühlung‘. Nicht zu vergessen die aufgeschütteten Spree-Strände wie der Bundespressestrand oder die 110 Tonnen Usedomer Spree- Sandstrand an der Karl-Marx-Allee …

Berlin, Du bist so wunderbar … erfrischend!